Major Korsar, der in diesem Mordfall die Ermittlungen führt, ist ein Fuchs. Wenn Korsar laut vor sich hindachte, stieß er oft auf eine Einzelheit, an die bisher noch keiner gedacht hatte. Korsar wurde von manchen unterschätzt. Am nächsten Tag konnte in siebenstündiger Arbeit die Sicherung der Spuren beendet werden. Vorsichtig wurde eine Leiche aus der hart gefrorenen Erde gegraben, Schicht um Schicht musste nicht nur abgetragen, sondern zuweilen sogar abgeschabt werden, bis die Leiche auf einem Fundament lag. Sie war männlichen Geschlechts. Die Beine waren der Leiche gewaltsam abgetrennt worden. Die Männer legten den Rumpf auf eine aus Brettern gefügte Platte, überspannten sie mit durchsichtiger Folie und trugen sie vorsichtig den steilen Weg hinunter. Die Feuerwehr übernahm den Transport und brachte den Fund in das Institut der Gerichtsmedizin. Die Leiche war mit einem Turnhemd und einem Slip bekleidet, sie trug einen Strick von hundertfünfzig Zentimeter Länge um den Hals. Sie konnte, nach ungefährer Schätzung, zwischen dreißig und fünfundvierzig Jahren alt sein und war von großer, kräftiger Gestalt. Sie war schon in Fäulnis übergegangen. Am Abend des gleichen Tages, an dem man die Leiche ausgegraben hatte, fand der Leichenhund die unteren Extremitäten in unmittelbarer Nähe des schwarzen Tümpels. Sie waren in der gleichen Weise wie der Rumpf eingegraben worden. Korsar erhielt die Information telefonisch während einer Beratung der Morduntersuchungskommission des Bezirkes vom Gerichtsmedizinischen Institut. Im Unterkiefer fehlten mehrere Zähne, das Gebiss war saniert, Goldzähne ersetzten zwei Molaren. Offenbar hatte das Opfer keine grobe Handarbeit verrichtet. Die Leiche hatte mindestens vier Monate in der Erde gelegen, höchstens aber zwei Jahre. Todesursache: Strangulation. Korsar bedankte sich und legte den Hörer auf. Die Kriminalisten hatten über Lautsprecher alles mit angehört. 'Also Erhängungstod', sagte Franz. 'Das ist vorschnell gefolgert', sagte Korsar. 'Sie haben recht. Wir wissen nicht, ob seine Augen geöffnet waren.' Und mancher im Raum dachte wohl: Er könnte wahrgenommen haben, was in den allerletzten Sekunden seines Lebens mit ihm geschehen ist. Das heißt, er könnte den Menschen gesehen haben, der ihm das Leben nahm. Der Autor interessiert sich nicht einfach nur für das Lösen eines Falles, sondern mehr noch für die psychologischen Hintergründe dieses Verbrechens: Warum musste ein Mensch sterben? Welche Motive hatte der Täter?

Heinz Kruschel, 1929-2011, Sohn eines Bergmanns und späteren kaufmännischen Angestellten der Staßfurter Salzbergwerke, entging nur knapp dem für seine Generation typischen Schicksal, im finalen Aufgebot der letzten Kriegstage - dem "Volkssturm" - verheizt zu werden. Noch ehe er seine Modelltischlerlehre beendet hatte, beschloss die Partei, in die er jung eingetreten war, dass er Neulehrer zu werden habe, und ließ ihn 1949/50 am Lehrerbildungsinstitut in Staßfurt studieren. Anschließend war er Lehrer in Sandersdorf - den Schülern jeweils ein Kapitel im Lehrbuch voraus -, danach in Magdeburg und Egeln sowie Direktor einer Erweiterten Oberschule in Havelberg. Nach einem berufsbgeleitenden Fernstudium der Germanistik war er Journalist und Kulturredakteur bei der "Volksstimme" in Magdeburg. Ab 1963 lebte er als freier Schriftsteller in Magdeburg, bereiste im Auftrag von Illustrierten wie der "Für dich" Ungarn, Bulgarien, Usbekistan und Kuba und schrieb zahlreiche Erzählungen und Romane für Jugendliche und Erwachsene. Sein Roman "Das Mädchen Ann und der Soldat" wurde 25 Jahre lang immer wieder neu aufgelegt, während Bücher wie "Der Mann mit den vielen Namen" oder "Leben. Nicht allein" erst nach erbitterten Auseinandersetzungen mit jenen Behörden, die Literatur zu genehmigen hatten, erscheinen durften. Sein Roman "Gesucht wird die freundliche Welt", der als erster in der DDR das Thema des Umgangs mit straffällig gewordenen Jugendlichen thematisierte, wurde 1978 von Erwin Stranka unter dem Titel "Sabine Wulff" verfilmt. Auszeichnungen: Erich-Weinert-Preis der Stadt Magdeburg Theodor-Körner-Preis Banner der Arbeit Literaturpreis des FDGB Vaterländischer Verdienstorden

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