Teplitz-Schönau: Kur- und Industriestadt? Eine nordböhmische Kleinstadt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Studienarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Geschichte Europa - and. Länder - Neuzeit, Absolutismus, Industrialisierung, Note: 1, Universität Wien (Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte), Veranstaltung: Seminar: Kleinstädte im 19. Jahrhundert, Sprache: Deutsch, Abstract: In der Literatur über berühmte Badeorte wird Teplitz-Schönau meist in eine Reihe mit den anderen drei nordböhmischen Kurorten Karlsbad, Marienbad und Franzensbad gestellt. Erst bei genauerem Lesen findet man kurze Bemerkungen darüber, dass Teplitz auch ein bedeutender Industrieort war. Im Zentrum dieser Arbeit steht die Frage, wie zwei so widersprüchliche Entwicklungen miteinander zu vereinbaren waren. Der erste Teil der Arbeit enthält einige allgemeine Angaben über die Entwicklung der Stadt. Im Anschluss daran werden drei Ereignisse aus der Geschichte der Stadt herausgegriffen: der Anschluss an das Eisenbahnnetz (1858), die sogenannte ¿Quellkatastrophe von Teplitz¿ (1879) und der Streit um die Abhaltung eines tschechischen Turnerfestes (1896). Die Weichen in Richtung Industrialisierung wurden in Teplitz schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Eisenbahnbau gestellt. Nach außen hin wurde jedoch das Image der ¿uralten Thermenstadt¿ immer aufrecht erhalten. Bedingt durch die reichen Kohlevorkommen waren viele Unternehmen in der Teplitzer Gegend auf wirtschaftliche Zusammenschlüsse ausgerichtet. Sie waren finanzkräftig und konnten daher auch beträchtlichen Einfluss auf die Teplitzer Gemeindepolitik ausüben. Nationalistische Tendenzen waren unter Teilen der deutschen Bürgerlichen schon Mitte des Jahrhunderts spürbar; gegen Ende des Jahrhunderts wurden auch die Deutschliberalen immer stärker in diese Richtung gedrängt. Wer in der Gemeindepolitik bestehen wollte, musste sich verbal ¿ mit mehr oder weniger innerer Überzeugung ¿ zum ¿Deutschtum¿ und zum Doppelcharakter der Stadt (Kurort und Industriestadt) bekennen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahm der Antisemitismus in Teplitz zu, einer Stadt mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an jüdischer Bevölkerung. Aus heutiger Sicht gesehen wird deutlich, dass bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Teplitz die Basis zu zwei Prozessen gelegt wurde, deren katastrophale Folgen erst später sichtbar wurden: zur Entwicklung der deutsch-tschechischen Beziehungen und zur Umweltzerstörung. Der Nationalitätenhass trug wesentlich zu den unheilvollen Ereignissen von 1938, 1939 und 1945 bei. Die Auswirkungen der Umweltzerstörung wurden erst 1989, als die durch die Politik aufgerichteten Kommunikationsschranken fielen, in ihrem vollen Ausmaß offenbar.