Theodor Fontanes 'Schach von Wuthenow'. Räume der Innerlichkeit

Studienarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Freie Universität Berlin (Institut für Deutsche und Niederländische Philologie), Veranstaltung: OS: Spatial Turn - Raum und Bewegung, Sprache: Deutsch, Abstract: Theodor Fontane hat in seinen berühmten Romanen vor allem Berlin porträtiert. Wie kaum ein anderer Schriftsteller zeichnete er ein gleichermaßen lebendiges wie pointiertes Panorama der Stadt, die in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts endgültig zum gesellschaftlichen und politischen Zentrum Preußens aufgestiegen war. Zu diesen Berliner Gesellschaftsromanen zählt 'Schach von Wuthenow'. Fontanes Erzählung aus der 'Zeit des Regiments Gensdarmes', so der Untertitel, handelt vom ebenso eitlen wie sensiblen Regimentsoffizier Schach, der die junge Victoire von Carayon verführt und schwängert. Deren Mutter, die wie Schach in den höchsten Kreisen der Berliner Gesellschaft verkehrt, fordert Schach auf, die Beziehung zu ihrer Tochter sowie das ungeborene Kind durch eine Heirat zu legitimieren. Schach jedoch fürchtet um sein Ansehen, da Victoire aufgrund einer früheren Pockenerkrankung äußerlich entstellt ist. Erst nachdem Frau von Carayon den König um Hilfe bittet und dieser seinem Offizier ein Ultimatum stellt, willigt Schach ein. Er heiratet Victoire, erschießt sich aber nur wenige Stunden nach der Trauung. Alle wichtigen Personen und Ereignisse der Erzählung sind mit Berlin verknüpft, beinahe jedes Kapitel spielt hier. Dennoch gibt es ein Kapitel, das aus dem städtischen Rahmen fällt: 'In Wuthenow am See' lässt die Hauptstadt weit hinter sich und spielt, wie der Titel besagt, am Ruppiner See in Wuthenow. Hierhin, nördlich von Berlin in die Mark Brandenburg, flüchtet der Protagonist Schach, als er dem gesellschaftlichen Druck nicht mehr standhält. Doch Wuthenow ist nicht irgendein kleines Dorf fernab der Großstadt, es ist der Geburtsort Schachs. Hier befindet sich sein Elternhaus, umgeben von einem paradiesischen Garten, hier, am Ufer des weiten Ruppiner Sees, lebte seine erst kürzlich verstorbene Mutter. Eine Nacht und einen Tag lang durchstreift Schach die vertrauten Orte aus Kindertagen. Bereits an dieser Stelle zeigt sich, was im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ausgeführt werden soll: Das gleichsam idyllische wie morbide Wuthenow steht im Gegensatz zum elitären Berlin für Räume der Innerlichkeit und des Alleinseins. Wie Schach diese abgeschiedenen Räume erlebt und wie diese literarisch gestaltet sind, soll im Folgenden herausgearbeitet werden.

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