Theodor Storms Spätnovelle "John Riew" im Darwinismus- und Alkoholismusdiskurs der 1880er-Jahre

Bachelorarbeit aus dem Jahr 2018 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Ludwig-Maximilians-Universität München (Institut für Deutsche Philologie), Sprache: Deutsch, Abstract: Das Schriftstellerbild, das Theodor Storm als einen intellektuell abgeschotteten und gegen Zeitgeschehnisse indifferenten Autor portraitiert, muss nicht aufgegeben, sondern umgekehrt werden. Unter den heute kanonisierten Schriftstellern des 19. Jahrhunderts ist Storm der erste, der die beiden wichtigsten wissenschaftlichen Paradigmenwechsel seiner an grundstürzenden Umwälzungen nicht gerade armen Zeit kritisch mitvollzieht. Das ist einmal der Darwinismus, der Naturprozessualität unter Absehung von überkommenen Zweckmäßigkeitsannahmen konzeptualisiert. Vom naturwissenschaftlich bewanderten Stifter konsequent aus seinem gesamten Prosawerk ausgeklammert, brechen Darwinismen im Werk von Keller und Raabe erst nach Jahren aus der Latenz. Storm erkennt und verarbeitet bereits 1861 in seiner Novelle "Im Schloß" die darwinische Revolution. Noch evidenter wird der Vorreiterstatus Storms als wohl erster deutschsprachiger Schriftsteller überhaupt, der die Bakteriologie und die Hypothese einer Vektorübertragung rezipiert. Gegen die alte Miasmentheorie, auf deren Standpunkt er dessen ungeachtet in späteren Werken wieder zurückfällt, stellt Storm in der Novelle Schweigen (ab 1881 entstanden) die Möglichkeit einer Ausbreitung tödlicher Infektionskrankheiten durch stechende Insekten.