Tsingtau. Eine deutsche Kolonialstadt in China

Heute noch stehen in der chinesischen Millionenstadt Qingdao Fachwerkhäuser im 'neu-nürnbergischen Stil'. Der historische Stadtkern, die deutsche Kolonialstadt Tsingtau (1897-1914), erzählt ein koloniales Gründungsnarrativ deutscher Selbstrepräsentation im Spiegel einer rassistischen Konstruktion des chinesischen Anderen. Tsingtau war eine städtebauliche Selbstinszenierung des Deutschen Reiches, die von bürgerlicher Selbsterfindung und imperialem Anspruch der 'deutschen Kulturnation' auf ihren 'Platz an der Sonne' kündete. Das koloniale Gründungsnarrativ von der 'saubersten und gesündesten Stadt an der ganzen ostasiatischen Küste' untermauerte nicht nur die nationale und bürgerliche Selbstrepräsentation, sondern lieferte auch die Begründung für eine rassistische Ausgrenzung und Disziplinierung der chinesischen Bevölkerung, die sich dem Zugriff der Macht auf unterschiedlichste Weise zu entziehen verstand. Das Buch zeigt, wie Ausgrenzung und Disziplinierung der Mehrheitsbevölkerung und der Rückzug in eine gated community Imaginationen eines Belagerungszustandes durch 'die feindlichen Anderen' hervorbrachten, die auf kolonialen Deutungen der Welt, des Selbst und des Fremden beruhten. Imaginationen, die wir in unseren heutigen postkolonialen Denk- und Handlungsmustern wiedererkennen können.

Helga Rathjen hat Anglistik und Politik studiert und als Lehrerin, Museumspädagogin am Bremer Übersee-Museum und in der Lehrerfortbildung zu Globalem Lernen gearbeitet. Im Mittelpunkt ihres Interesses standen Postkolonialismus, Kolonialgeschichte und Dekolonisierung. Nach ihrer Pensionierung absolvierte sie ein Masterstudium Transkulturelle Studien in Bremen.