Übergangsphänomene und symbolische Ordnung. Winnicott-Lacan

In der vorliegenden Untersuchung wurde der Versuch unternommen, Berührungspunkte zwischen Winnicotts Theorie der Übergangsphänomene und der strukturalistischen Psychoanalysedeutung Lacans aufzuweisen. Beiden Konzeptionen ist gemeinsam, daß sie - den Rahmen der klassischen Topologie überschreitend - einen dritten Bereich thematisieren, der sich weder auf das Innen der Triebbedürfnisse noch auf das Außen der Objektwelt reduzieren läßt. Dieser dritte Bereich begegnet bei Winnicott als ,intermediärer Raum', in dem sich das kindliche Spiel entfaltet, bei Lacan in der Triade von Realem, Symbolischem und Imaginärem als sprachanaloge Formation. Übereinstimmend betonen beide Autoren die Bedeutung der Spiegelerfahrung für die frühen Identifizierungsprozesse und für die Genese des Ich. Allerdings mit sehr unterschiedlichem Akzent: Während bei Winnicott die Reifungsprozesse des Ich am Telos der Realitätsprüfung festgemacht werden, bleibt für Lacan das Ich wesentlich eine Funktion der Verkennung. Die imaginäre Einheit des Ich im Sinne des moi (Winnicotts falsches Selbst') leugnet die Dezentrierung, der menschliche Subjektivität von Anfang an unterliegt (vgl. Wyss 1976, 1980). In seiner Analyse des Begehrens hält Lacan der traditionellen Auffassung das Modell einer radikal unbewußten Intersubjektivität entgegen: Das Je als Subjekt des ,wahren Sprechens’ (Freuds ,Es') konstitutiert sich erst in der Rede des Anderen als sprachliches. Beiden Autoren, Winnicott und Lacan, geht es um die Abgrenzung des Symbolischen von einem dual-illusionären Bereich. Winnicott interpretiert diesen Übergang in seiner ,Illusions-Desillusionierungs-Theorie’ entwicklungspsychologisch. Lacans Ansatz hingegen ist strukturalistisch fundiert. Er betont die wechselseitige Verkettung von Realem, Imaginärem und Symbolischem. Während sich Winnicotts Theorie der Übergangsobjekte an der Mutter-Kind-Beziehung ausrichtet, legt sich bei Lacan die Instanz eines Dritten von Anfang an wie ein Schatten über die Zweierbeziehung. Die Dimension dieses Dritten ist in die Sprachordnung eingebettet und wird vor allem durch den ,symbolisehen Vater’ repräsentiert. Er hat seinen Platz am Ort des Unbewußten nach Freud, am Ort des Tausches nach Claude Levi-Strauss. Erst hier vollzieht sich ein Austausch, der nicht Erkenntnis ist, sondern Anerkennung (Hegel). Die Interpretationen Winnicotts und Lacans werden abschließend an einem von Freud beschriebenen Kinderspiel noch einmal exemplarisch verdeutlicht.