Obwohl das Besatzungsjahrzehnt die am genauesten erforschte Periode der österreichischen Zeitgeschichte nach 1945 ist, wurde ein Phänomen von der Wissenschaft bisher weitgehend vernachlässigt: die Rolle, die der Antikommunismus für die Gestaltung der Zweiten Republik gespielt hat. Der Kalte Krieg durchdrang alle gesellschaftlichen Bereiche. Kultur und Kunst waren davon ebenso betroffen wie Wirtschaftskonzepte oder die Bewältigung der Kriegsfolgen. Aber schon bevor die Welt in zwei unversöhnliche Lager geteilt wurde, nahm die SPÖ-Führung den Kampf gegen linke Tendenzen - auch in den eigenen Reihen - auf. Die Kommunisten trugen zu ihrer Marginalisierung durch eigene Fehler, vor allem durch ihre Sowjethörigkeit, in hohem Maß bei. Die antikommunistische Fundierung der Gesellschaft hat bis in die Gegenwart reichende Folgen - unter anderem, dass sich im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern eine antikapitalistische Linke in Österreich nie entfalten konnte.

Georg Friesenbichler, geboren 1956, war über drei Jahrzehnte Redakteur der 'Wiener Zeitung', unter anderem als Ressortleiter Außenpolitik und stellvertretender Chefredakteur. Zeitgeschichtliche Publikationen: 'Unsere wilden Jahre. Die Siebziger in Österreich' (2008); zusammen mit Hubert Friesenbichler: 'Die drei Leben des Hubert F. Vom jungen Nazi-Gegner zum linken Journalisten. Mit einem Anhang zur Parteipublizistik nach 1945' (2014)