Vereinbarkeit der neuen europäischen Kartellverordnung 01/2003 mit dem primären Gemeinschaftsrecht

Studienarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Jura - Europarecht, Völkerrecht, Internationales Privatrecht, Note: 14 Punkte, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Rechtswissenschaften), Veranstaltung: Seminar im Kartellrecht, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Rat der Europäischen Union hat am 16.12.2002 die neue Durchführungsverordnung (im Folgenden bezeichnet als VO Nr. 1) zu den in den Artikeln 81 und 82 des EG-Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln einstimmig verabschiedet. Die neue Verordnung tritt zum 1. Mai 2004 in Kraft, d.h. zeitgleich mit dem Beitritt von zehn neuen EU-Mitgliedsstaaten. Die Einigung über die neue Durchführungsverordnung krönt einen kontroversen Diskussions- und intensiven Gesetzgebungsprozess. Die neue Durchführungsverordnung bedeutet in erster Linie einen tiefgreifenden Systemwechsel. Das bislang bestehende Verfahren einer vorherigen Kontrolle mittels Anmeldung und Genehmigung für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen i.S. des Art. 81 Abs. 1 und 3 wird überführt in ein System der Legalausnahme. Das bedeutet, dass die Freistellung vom Kartellverbot kraft Gesetzes automatisch erfolgt, wenn die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 vorliegen. Die Vorschläge der Kommission sind zunächst in den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland auf heftigste Ablehnung gestoßen. Insbesondere in Deutschland wird u.a. in Abrede gestellt, dass ein Wechsel zu Gunsten des Systems der Legalausnahme zulässigist, da ein solcher Systemwechsel eine Änderung des EGV voraussetze. Diese Zweifel greifen eine alte Streitfrage auf, die bereits bei der Vorbereitung der Verordnung Nr.17/1962 (im Folgenden bezeichnet als VO Nr. 17) heftig diskutiert jedoch nicht endgültig entschieden wurde. Es ging dabei um die Beurteilung, ob dem Art. 85 EGV (Art. 81 EG n.F.) ein bestimmtes Verfahrenssystem zur Durchführung der Wettbewerbsvorschriften (Anmelde- und Genehmigungssystem oder das System der Legalausnahme) immanent ist. Bereits damals glaubte man diesen Streit nur durch den EuGH beilegen zu können. Angesichts der neuen Aktualitätder Problematik und zahlreicher weiterer Bedenken bezüglich der VO Nr. 1 ist die Anrufung des EuGH von einem einzelstaatlichen (deutschen) Gericht spätestens nach dem Geltungsbeginn zumindest legitim. EuGH würde dann im Vorlageverfahren gemäß Art. 234 entscheiden müssen, ob der Systemwechsel durch die Verordnungs-Ermächtigung des Art. 83 gedeckt ist. Indieser Arbeit soll die Vereinbarkeit der neuen europäischen Kartellverordnung mit dem primären Gemeinschaftsrecht untersucht werden, zumal die mögliche Entscheidung des EuGH zu dieser Frage einen herausragenden Vergleichsmaßstab liefern würde.