Verstehen-Erinnern-Schweigen: Aporien einer Erinnerung nach Auschwitz

Examensarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Theologie - Systematische Theologie, Note: 1,5 (sehr gut), Universität Münster (Katholisch-Theologische Fakultät), Sprache: Deutsch, Abstract: Über 50 Jahre sind seit der Befreiung der Konzentrations- und Vernichtungslager der Nationalsozialisten vergangen. Betrachtet man die Anzahl der errichteten Gedenkstätten und Mahnmale, die große Fülle an wissenschaftlichen und literarischen Publikationen so wie die unüberschaubare Menge an dokumentarischen Beiträgen im Fernsehen und cineastischen Thematisierungen, sollte man meinen, dass die Erinnerung an die 6 Millionen ermordeten Juden, Sinti und Roma, Homosexuellen, Kommunisten und Widerständler sowie anderer Opfergruppen nie zuvor so lebendig war. Das wachsende Interesse an diesem Thema kann im Wesentlichen auf drei Gründe zurückgeführt werden. Zum einen erleben wir durch die Innovationen der elektronischen Medien externer Speicherung und damit des künstlichen Gedächtnisses eine kulturelle Revolution, die in ihrer Auswirkung mit der Erfindung der Schrift und des Buchdrucks vergleichbar ist.2 Zum anderen lässt die moderne Gesellschaft komplementär dazu die eigene kulturelle Tradition nur noch als Gegenstand der Erinnerung und als kommentierende Aufarbeitung in den Blick treten. Viel persönlicher und existentieller betrifft uns aber das Sterben der letzten Zeitzeugen der schwersten Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Darin liegt vielleicht das entscheidende Motiv für das Interesse. Assmann schreibt dazu: '40 Jahre markieren eine Epochenschwelle in der kollektiven Erinnerung: wenn die lebendige Erinnerung vom Untergang bedroht und die Formen kultureller Erinnerung zum Problem werden. Auch wenn die Debatte um Geschichte und Gedächtnis, Memoria und Mnemotechnik teilweise höchst abstrakte und gelehrte Formen annimmt, scheint mir doch dies der existentielle Kern des Diskurses zu sein.'3 Dem kulturwissenschaftlichen Vokabulars Assmanns folgend besteht die besondere Situation unserer heutigen Zeit darin, wie das kommunikative Gedächtnis der Zeitzeugen Eingang in das kulturelle Gedächtnis der Nachgeborenen findet. Dass diese Frage mit viel Emotionalität und Brisanz geführt wird, zeigen die jüngsten Diskussionen über die Bedeutung des Holocaust. Als Beginn dieser Diskussionen können sicherlich der unglückliche Besuch Helmut Kohls und Ronald Reagans auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg (1985) und insbesondere der Historikerstreit (1986/87) genannt werden. Die Frage nach der Singularität des Holocaust ist letztlich die Frage nach der Bedeutung der Shoa für die kommenden Generationen. Die Friedenspreisrede von [...]

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