Versuch über die 'Entzauberung der Welt'

Essay aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Philosophie - Philosophie des 20. Jahrhunderts, Note: 1,0, Freie Universität Berlin, Veranstaltung: Max Weber: Wirtschaftsethik der Weltreligionen - Der Buddhismus, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Da der Dichtung zauberische Hülle / Sich noch lieblich um die Wahrheit wand - / Durch die Schöpfung floß da Lebensfülle, / Und was nie empfinden wird, empfand. / An der Liebe Busen sie zu drücken / Gab man höhern Adel der Natur, / Alles wies den eingeweihten Blicken, / Alles eines Gottes Spur. // Wo jetzt nur, wie unsre Weisen sagen, / Seelenlos ein Feuerball sich dreht, / Lenkte damals seinen goldnen Wagen / Helios in stiller Majestät. / Diese Höhen füllten Oreaden, / Eine Dryas lebt´ in jenem Baum / Aus den Urnen lieblicher Najaden / Sprang der Ströme Silberschaum. Denken wir heute an die 'Entzauberung der Welt', dann mag uns verschwommen vor Augen stehen, was Friedrich Schillers philosophisches Gedicht Die Götter Griechenlands (1788-1800) in poetischer Klarheit sentimentalisch ausdrückt. Die entzauberte Welt ist eine Welt ohne transzendente Dimension. 'Unsre Weisen', die Theologen und Wissenschaftler der Neuzeit, haben sie systematisch (durch den transzendenten Monotheismus und die exakten Naturwissenschaften) entzaubert. Von animistischen und anthropomorphen Deutungsmustern des Mythos befreit wird die Natur zur Faktenwelt neutralisiert und damit zum nutzbaren Rohstoff degradiert, denn die entzauberte Welt ist eine anthropozentrische Welt. Erst jetzt wird der Mensch wirklich zum Maß aller Dinge und dieses Maß ist prinzipiell maßlos. Das zweckrationale berechnende Beherrschen kennt nur temporäre technische Grenzen. Ethische Bedenken gleiten in die Rolle sachfremder Einwände ab. Der Fluß, einst Wohnung des Flußgottes, kann jetzt begradigt werden. Der heilige Hain wird (so Hegel) zum Holz. Selbst der Mond, einst eine Göttin, ist längst ein berechenbarer Landeplatz für Raketen geworden. Die Kehrseite dieser anthropozentrischen Entwicklung bildet die 'transzendentale Obdachlosigkeit' des Menschen, ein weiterer Begriff, der in den kulturkritischen Jargon der Moderne eingegangen ist und häufig als Synonym für die 'Entzauberung der Welt' gebraucht wird. In ihm drückt sich der Preis des Entzauberungsprozesses aus. Der göttliche Kosmos schwindet und die ethischen Werte verlieren ihre metaphysische Verankerung. Der Wegfall eines Obdachs, einer den Menschen einschließenden sinnerfüllten transzendenten Ordnung, wird als Verlust erfahren.

Geboren 1968 in Berlin. Magister-Abschluss (Philosophie, Germanistik) an der Freien Universität Berlin.

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