Vom Gehen im Eis

»Mit einem Matchsack, einem Kompass ausgerüstet, geht Werner Herzog in Richtung Paris, es ist kalt, schmelzender Schnee und Eis, kein Handy auf dem Herzogsweg, kein Verlag, der Geld bei Fuß steht, kein Videoteam, das im Tagesetappenhotel wartet. Was heute eine Extremform des medialen Spaziergehens ist, umweht hier der Hauch der Lenzschen Verwirrung, ist manchmal der Selbststilisierung zum ¿Schmerzensmann¿ nahe. Wo er später wie in Fitzcarraldo ein Schiff durch den Urwald ziehen lässt, nimmt er hier das körperliche Leid auf sich, Erschöpfung, entzündete Achillessehne, bewusstloses Weitergehen. Es ist das Körperliche, das ihm zur Bedingung der Wahrheit wird, und das vermeintlich Chancenlose dieser Unternehmung, um sie gegen jede Logik durchzusetzen. ¿Lieber die Sinnlosigkeit, wenn es eine ist, bis zur Neige gekostet¿, notiert er kurz vor Paris, als er nahe am Aufgeben ist. Der Anlass des Gehens, die Rettung der ¿Eisnerin¿, wie Bertolt Brecht sie nannte, tritt in den Hintergrund (¿Im Nachhinein noch dieses¿: Sie wird gerettet, stirbt 1983). Das Gehen wird zum Mittelpunkt (¿Das Wissen kommt von den Sohlen¿), die Szenen der inneren Landschaft, des Schauens, das Fremd- und wieder Vertrautwerden des eigenen Landes.« Konrad Heidkamp, Die Zeit

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