Vom Lassen der Gewalt

Gewaltfreies Leben und gewaltfreies Handeln bestehen vorrangig in der Kunst des Lassens von Gewalt. So könnte man die zentrale Überzeugung beschreiben, die die in diesem Buch erstmalig gesammelten Texte und Thesen durchzieht und prägt. Der Autor dieser Texte arbeitet als Rechtsanwalt in Villingen-Schwenningen mit einem Schwerpunkt im Migrations-/Asylrecht und ist engagiert im Internationalen Versöhnungsbund/Deutscher Zweig. Immer wieder hat er von seiner Grundhaltung der Gewaltfreiheit aus zu aktuellen Fragen aus den Bereichen Theologie, Politik, Ethik und Recht Stellung bezogen: "Politisches Handeln unter der Bedingung des Gewaltverzichts ist nicht irreal, sondern geschieht in dieser Welt unter den gleichen Umständen, wie sie sich auch den 'Realpolitikern' bieten. Aus dem Gewaltverzicht oder zugleich mit ihm ergeben sich aber andere Handlungsgrundsätze und -formen." Entstanden sind so im Lauf der Jahre Facetten einer Ethik des Gewaltverzichts, einer Ethik, die nicht am Zweck, sondern an den eingesetzten Mitteln orientiert ist: "Die Aufforderung zum 'Nein' zur Gewalt im Alltag verspricht keine schnellen Ergebnisse. Es geht schlicht um die Frage, auf welcher Seite wir stehen wollen, ob wir Partei ergreifen für die Opfer struktureller Gewalt oder für die verantwortlichen Täter, ob wir Partei ergreifen für das Recht oder für das Unrecht, ob wir auf der Seite der Unbewaffneten stehen oder bei den Bewaffneten, ob wir bei denen sind, die draußen stehen oder bei denen, die drinnen die Tür zumachen."

Ullrich Hahn, geb. 1950 in Oldenburg; seit dem zweiten Lebensjahr lebt er in Villingen. Selbstzeugnis: "Da ich keine spezifisch christliche Erziehung genossen hatte, konnte ich den Inhalt der Botschaft Jesu unvoreingenommen aufnehmen. Ich hatte kein 'Glaubenserlebnis' dabei und auch keinen Kontakt zu christlichen Gruppen, sondern empfand das Gelesene als zutiefst vernünftig und nachvollziehbar. [...] Die Berufsethik als Rechtsanwalt entspricht meiner Vorstellung von der Botschaft Jesu: Es geht um die (einseitige) Fürsprache für Menschen, um die Wahrheit dessen, was ich vortrage, und um die Schweigepflicht bezüglich aller Informationen, die ein Mandant oder Mandantin nur mir anvertrauen will. [...] Die Kriegsdienstverweigerung hat mich bereits 1973 in den Versöhnungsbund geführt. Für mich war auf der ersten Jahrestagung die Vielfalt der Generationen beeindruckend. Während mir sonst als jungem Kriegsdienstverweigerer oft vorgehalten wurde, ich würde schon noch älter und damit vernünftiger werden, traf ich im Versöhnungsbund alte Menschen (z. B. noch Martin Niemöller mit über 90 Jahren), die noch immer und je älter desto mehr Gewalt in allen ihren Formen ablehnten und nach Wegen gewaltfreien Handelns und Lebens suchten. Seit 1996 gehöre ich dem Vorstand des deutschen Zweiges des Internationalen Versöhnungsbundes an, zunächst 14 Jahre als Vorsitzender, seither als Präsident." (Autobiographischer Text: https://www.versoehnungsbund.de).

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