Vom Sinn des Lebens

Einerseits stellen wir die Frage nach dem Sinn des Lebens im Alltag eher selten. Andererseits gibt es wohl niemanden, der sie sich noch nicht gestellt hat. Ein Lebensbereich scheint nun für die Antwort von vorne herein überhaupt nicht zu taugen, weil es in diesem Bereich nicht um Sinn, sondern um Daten geht: die Wissenschaft. Dort ist die Sinnfrage ausgeklammert - könnte man meinen. Aber: Wissenschaftler sind neugierig. Keineswegs zählen und messen sie nur; nein, sie denken auch nach! Und ihre Aktivität führt zu Änderungen unserer Sicht auf uns und die Welt: Die Physik Einsteins hat unser Verständnis des gesamten Universums geändert - Raum und Zeit sind nicht feste Größen, sondern relativ zur Lichtgeschwindigkeit (und diese ist fest). Die Evolutionstheorie Darwins und ihre Verschmelzung mit der Molekularbiologie (mitsamt den dazu gehörenden mathematischen Methoden) lässt uns alles Lebendige in neuem Licht erscheinen. Und durch die Gehirnforschung ändert sich unser Verständnis von uns selbst. Neue Erkenntnisse provozieren das Nachdenken über Wahrnehmen und Denken ebenso wie über Gefühle, Risiken, Entscheidungen, den freien Willen und die Grundlagen unseres Zusammenlebens: Vertrauen und Empathie, Solidarität und Selbstbestimmung, Hilfsbereitschaft und Schadenfreude, Glaube und Glück. Es gibt sehr vieles zur Kenntnis zu nehmen, zu interpretieren, in Beziehung zu Setzen, mental 'zu verdauen'. Die Aufgabe, ein neues Menschenbild zu entwickeln, erscheint übergroß. Und wäre man fertig, dann wäre ja schon wieder so viel Neues entdeckt. Es kann also derzeit, und vielleicht sogar grundsätzlich, keine einheitliche Sicht geben, und damit letztlich auch nicht den 'Sinn' und leitet das von ihm gegründete 'Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen' im Sinne des Buchtitels. Was es aber gibt, sind Gedanken und Wege. In diesem Buch zeigt Manfred Spitzer solche Wege auf. Wer sie mit ihm gehen mag, so seine Hoffnung, kommt ein Stück weiter.

Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer studierte Medizin, Psychologie und Philosophie in Freiburg, war Oberarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Heidelberg, Gastprofessor an der Harvard-Universität und am Institute for Cognitive and Decision Sciences in Oregon. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Grenzbereich der kognitiven Neurowissenschaft, der Lernforschung und Psychiatrie. Seit 1997 ist er Ordinarius für Psychiatrie in Ulm. Er ist Herausgeber des psychiatrischen Anteils der Zeitschrift 'Nervenheilkunde' in Ulm. Er hat mehrere neurowissenschaftliche Bestseller veröffentlicht und moderiert eine wöchentliche Fernsehserie zum Thema Geist und Gehirn.

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