Wenn ein Student dem Druck nicht mehr standhält: Leistungen und Versagen von Hochschulen in der psychosozialen Betreuung

"Eine Untersuchung des Deutschen Studentenwerks von 1999 ergab, dass 40 Prozent der Studierenden mit psychischen Problemen zu tun hatten." In Berlin sind bereits um die 5.000 Studenten in psychologischer Behandlung. Die Tendenz ist steigend. So bestätigte eine Erhebung im Jahr 2001 an der Universität Münster, dass bereits 20% der dort immatrikulierten Studenten ihre psychischen Probleme als eine große Schwierigkeit in ihrem Studium ansehen. Die Entscheidung zur Einführung von Studiengebühren seitens des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Januar 2005 spielt in diesem Kontext eine wesentliche Rolle. Die damit einhergehenden und sich zunehmend verschlechternden Lebensbedingungen im Hinblick auf die Finanzierung des Studiums, üben steigenden Druck auf den einzelnen Studenten aus. Der Spagat zwischen dem Studium und dem Job führt nicht bei wenigen Studenten zu psychischen Erkrankungen, dem Ausbruch des Burnout-Syndroms und der trügerisch hoffnungsvollen Zuwendung zu Alkohol und Psychopharmaka, um diesem Druck standhalten zu können. Doch worin sind die unterschiedlichsten Auslöser und Gründe zu finden und um welche Probleme im Studium handelt es sich im Detail? Welche Wünsche und Erwartungen stellt der ratsuchende Student an seine Hochschule und wie kann die Hochschule diesen Erwartungen in Form eines ausgebauten Hochschulmarketing gerecht werden? Welche Rolle kann die psychosoziale Betreuung an deutschen Hochschulen in der nahen Zukunft einnehmen und haben Hochschulen überhaupt ein Interesse daran für ratsuchende Studenten ein psychologisches Betreuungsprogramm zu implementieren? In der Gesellschaft zählen psychische Erkrankungen nicht mehr zu den tabuisierten Themen. Die WHO forderte im Januar 2005 auf der Konferenz über psychische Gesundheit in Helsinki in der Zukunft "eine gemeinsame Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung psychischer Krankheiten sowie [...] die Weiterentwicklung gemeindenaher, integrierter psychiatrischer Dienste für zur Selbsthilfe bemündeter Bürger". In diesem Buch wird speziell auf die studienbedingten, psychischen Belastungsarten des Studenten eingegangen. Die Hochschule kann dabei einerseits der Auslöser dieser individuell stark belastenden Probleme sein und andererseits auch eine erste beratende Anlaufstelle bieten, um diesen Problemen präventiv zu begegnen oder diese durch ein Angebot von verschiedenen psychosozialen Leistungen reduzieren zu helfen. Damit würde die Hochschule den Forderungen der WHO-Konferenz gerecht. Um eben auch die Frage nach dem Versagen von Hochschulen bei dieser Mission zu beleuchten, wurden Befragungen von sieben betroffenen Studenten und ehemaligen Studenten durchgeführt. Die daraus resultierenden Ergebnisse sind in den Argumentationsverlauf der Untersuchung an der Stelle eingeführt, an welcher sie unterstützende Argumente liefern können. Ziel dieses Buches soll es sein, anhand einer Gegenüberstellung individuell bestehender, psychischer Belastungen von Studenten während des Studiums und der Darstellung des Leistungsangebots ausgewählter deutscher Hochschulen, Leistungslücken in der psychosozialen Betreuung von Hochschulen aufzudecken. Ob und in welchem Umfang gegebenenfalls bestehende Leistungslücken zukünftig von den Hochschulen gefüllt werden können oder sogar sollten, wird diskutiert und veranschaulicht.