Wilhelm Meisters Erbe

Um eine Vorstellung von der Zukunft der vormals buchgestützten Bildung unter digitalen Bedingungen zu gewinnen, muss ihr Verhältnis zur digitalen Technik geklärt werden. Das wird durch ein einfaches Manöver möglich: Man muss die Inhalte, Zugänge und Formate der vordigitalen Periode der Bildung technisch betrachten, die Techniken der digitalen Gegenwart aber kulturgeschichtlich. Gerade die Aufforderung zu einer inhaltlichen Betrachtung der neuen digitalen Netzwerktechnik erscheint zunächst abwegig, denn diese Technik bezieht ihre Legitimation ganz aus der Überwältigungsmacht ihres effektiven Funktionierens. Wozu also dieser Schritt zurück? Er ist notwendig, weil mit »Bildung« eine identitätsbildende Tradition auf dem Spiel steht, die bis heute Institutionen und Individuen Halt gibt. Wenn wir nicht plausibel an diese Tradition anschließen, wird es immer unausweichlicher, einzig und allein die permanente technische Neuerung und Effektivitätssteigerung zum einzigen Programmpunkt von Bildung zu erklären. Das Buch will deshalb nicht zuletzt die Frage historisch und technisch differenziert beantworten, was Medienbildung im Kern ausmacht.

Heiko Christians, geboren 1963 in Oldeborg / Ostfriesland. 1984-1991 Studium der Germanistik, Philosophie, Pädagogik und Niederlandistik in Köln. 1996-2002 Wissenschaftlicher Assistent an der Universität zu Köln. Seit 2006 Professor für Medienkulturgeschichte an der Universität Potsdam. Gründungsmitglied des Brandenburgischen Zentrums für Medienwissenschaften (ZeM).

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