Wilhelm Raabes Kritik am Philistertum im Spätwerk 'Die Akten des Vogelsangs'

Studienarbeit aus dem Jahr 2019 im Fachbereich Germanistik - Komparatistik, Vergleichende Literaturwissenschaft, Note: 1,0, Ludwig-Maximilians-Universität München (Institut für Deutsch als Fremdsprache: Interkulturelle Literaturwissenschaft), Veranstaltung: Epochenprojekt und Fortgeschrittenenseminar: Literatur des 19. Jahrhundert, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Arbeit beschäftigt sich mit der Zeitkritik Wilhelm Raabes am Philister als einem bestimmten Typus des Bürgertums gegen Ende des 19. Jahrhunderts in seinem späten Chronistenroman 'Akten des Vogelsangs'. Die 'Akten des Vogelsangs' seien echte Altersarbeit gewesen. Das gesteht Wilhelm Raabe in einem Brief aus dem Erscheinungsjahr 1896. Doch der zähe Schreibprozess ist nicht nur auf das Alter oder die private Situation Raabes (Tod der Tochter 1892) zurückzuführen. Die für Raabe unüblich lange Arbeitszeit von 25 Monaten mag vielmehr mit den Spezifika der 'Akten' zusammenhängen. Neben der Fülle an Zitaten und Anspielungen, mit dem Raabe den für ihr so typischen beeindruckenden kompositorischen Raum schafft, seiner Liebe für die Aufladung von Details mit Bedeutung, tragen vor allem die Zeitkritik Raabes am Philiströsen des Bürgertums und das Wiederaufgreifen bekannter Motive aus früheren Werken dazu bei, dass die 'Akten des Vogelsangs' als ein sehr dicht verwobener aber gleichzeitig ergiebiger und somit lesenswerter Roman erscheinen. Wie der aktenmäßige Rückblick Karl Krumhardts an den Kindheitsort des Vogelsangs in die Zeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts fällt, ist Raabe selbst Genosse dieses Zeitalters (? 1910). Seine kritischen, teils satirisch überzeichnenden Darstellungen müssen stets mit dem historischen Kontext behandelt werden. Schließlich wird das sog. lange 19. Jahrhundert als das Zeitalter der Revolutionen geführt. Der Umgang mit der Modernisierung der politischen, wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Strukturen, angetrieben von der Industrialisierung, ist in den 'Akten des Vogelsangs' mitthematisiert. Dabei liegt ein Spannungsverhältnis zwischen der menschlichen Wesensart des Bewahrens gerade in Zeiten des Wandels und der Technisierung, Beschleunigung und der damit einhergehenden Unsicherheit auf der Hand.