Wilhelm von Humboldts Bildungstheorie und die Volkshochschule (1918-1978)

Das ideengeschichtlich tradierte Bildungsverständnis der Volkshochschule im Zeitraum von 1918 bis 1978 weicht vom historischen Diskurs über die volkshochschulische Bildungsfrage ab. Während die erwachsenenpädagogische Historiografie einen kontinuierlichen Bezug zu Wilhelm von Humboldts Bildungsdenken vermutet, verdeutlicht ein Blick in einschlägige Quellen aus politischen, philosophisch- bildungstheoretischen und institutionell-verbandlichen Kontexten, dass der neuhumanistische Bildungsbegriff keine Relevanz (mehr) hat. Es gibt eine semantische Verschiebung im Verhältnis von Allgemeinbildung und Berufsbildung. Aus der Lebenswelt stammende berufsorientierte Erfahrungen treten als Voraussetzung für allgemeine Bildung auf und stehen ihr nicht länger gegenüber. Die vorliegende Untersuchung erörtert anhand der Analyse von drei historischen Phasen (Weimarer Republik, Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg und die Epoche der Bildungsreform bzw. der sogenannten realistischen Wende) wie sich im Umfeld der Volkshochschule sprachlich das Wort Allgemeinbildung bewahrt, in seiner Bedeutung allerdings Humboldts Erbe regelmäßig ausschlägt. Statt Freiheit markiert das Berufsleben den Ausgangspunkt des volkshochschulischen Bildungsdenkens.

Rafael Schönhold, Jg. 1980, Studium der Informatik an der Fachhochschule Dortmund, Bildungswissenschaft an der FernUniversität in Hagen und Erziehungswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Promotion an der Bergischen Universität Wuppertal. 2012 bis 2015 Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Ruhr-Universität Bochum. 2016 bis 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FernUniversität in Hagen. Seit 2017 stellv. Leiter, ab 2019 Leiter der Volkshochschule der Stadt Lünen.