'Zwangsvereinigung' oder 'freiwilliger Zusammenschluß'?

Inhaltsangabe:Einleitung: Anläßlich des 50. Jahrestages der Vereinigung von SPD und KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) ist im Frühjahr 1996 eine alte Kontroverse neu belebt und in der Öffentlichkeit breit diskutiert worden. Handelte es sich um eine ‘Zwangsvereinigung’, wie von sozialdemokratischer Seite und namhaften Historikern wie z.B. Hermann Weber seit jeher konstatiert wurde oder war es ein ‘freiwilliger Zusammenschluß’ beider Parteien, wie DDR-Historiker immer wieder behauptet haben? In einer Flut von Presseartikeln, Diskussionsveranstaltungen und Fernsehsendungen erörterten Historiker, Politiker und Zeitzeugen diese Frage. Die Resonanz, die dieses Themas fand sowie die emotional aufgeladene Diskussion darüber, erklärt sich u.a. daraus, daß die Frage nach dem Zustandekommen der SED auch darauf zielt, wer die Verantwortung für den Ursprung der vierzigjährigen Herrschaft dieser Partei in der ehemaligen DDR trägt. So wies die CDU/CSU den Sozialdemokraten eine Mitverantwortung für die SED-Diktatur mit der These vom ‘freiwilligen Zusammenschluß’ zu. Im Zusammenhang mit dem ‘Magdeburger Modell’ (rot-grüne Minderheitsregierung mit Duldung durch die SED-Nachfolgepartei PDS) wurde die SED-Gründung von konservativer Seite als historisches Beispiel für die Gefahr einer linken Volksfront politisch instrumentalisiert. Von aktueller politischer Bedeutung ist die Frage nach der ‘Zwangsvereinigung’ auch für das Verhältnis zwischen SPD und PDS, insbesondere was eine mögliche Zusammenarbeit beider Parteien in den fünf neuen Bundesländern betrifft. So forderte die SPD im Zusammenhang mit Diskussionen um eine SPD-PDS-Zusammenarbeit in Mecklenburg-Vorpommern von der PDS eine eindeutige Erklärung zum Zwangscharakter der SED-Gründung. Zum 50. Jahrestag der SED-Gründung hat die Historische Kommission der PDS ein Thesenpapier zu diesem Thema vorgelegt. Darin wurden zwar ‘Elemente von Zwang’ bei der Fusion von SPD und KPD eingestanden, gleichwohl wurde der Begriff der ‘Zwangsvereinigung’ als politischer Kampfbegriff aus der Zeit des Kalten Krieges verworfen, da er die Widersprüchlichkeit und Komplexität des damaligen Vereinigungsprozesses nicht angemessen beschreibe. Auch einige Historiker vermeiden diesen Begriff, weil er für eine wissenschaftlich-analytische Geschichtsaufarbeitung zu einseitig sei. Wolfgang Leonhard spricht alternativ dazu von einer ‘diktatorischen Vereinigung’ und Harold Hurwitz von [...]