Zwischen Familie, Heilern und Fürsorge

Die Ansicht, Epileptiker seien im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit für besessen gehalten oder als Hexen verfolgt worden, ist heute ein weitverbreitetes Vorurteil. Die traditionelle Geschichtsforschung zur Epilepsie hat diesem bisher wenig entgegenzusetzen; sie konzentriert sich auf die Untersuchung des medizinischen Diskurses, ohne Fragen des zeitgenössischen Umgangs mit der Erkrankung und den Kranken aufzugreifen. Angela Schattners Studie stellt deshalb die Epileptiker selbst und deren Lebensumstände in den Mittelpunkt der Untersuchung.

Auf der Basis teilweise neu erschlossener Quellen wie Bittschriften, Gerichtsakten und den Verwaltungsakten lokaler Armenfürsorge untersucht die Autorin, wie die frühneuzeitliche Gesellschaft die Epilepsie interpretierte, welche sozialen Folgen sich daraus für die Epileptiker ergaben, wie sie ihre Erkrankung zu bewältigen suchten und auf welche Institutionen der sozialen Fürsorge sie zurückgreifen konnten. Sie kann dabei einen ambivalenten Umgang mit den Betroffenen zeigen, die einerseits als hilfs- und schutzbedürftige Kranke wahrgenommen und andererseits als ansteckend stigmatisiert wurden.



Angela Schattner studierte Historisch orientierte Kulturwissenschaften an der Universität des Saarlandes und promovierte dort anschließend im Fach Neuere Geschichte. Seit 2010 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Historischen Institut London, wo sie an einer Geschichte frühneuzeitlicher Freizeitkultur in Großbritannien arbeitet. Ihre Forschungsinteressen umfassen frühneuzeitliche Kultur- und Körpergeschichte, der soziale Umgang mit Erkrankung, die Armenfürsorge sowie die Sport- und Bewegungsgeschichte.