Zwischen Widerständler, Täter, Zuschauer und Opfer. Leben und Handeln Kurt Gersteins in der Öffentlichkeit und in der Forschung

Studienarbeit aus dem Jahr 2022 im Fachbereich Geschichte - Sonstiges, Note: 1.7, Universität Paderborn, Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Arbeit untersucht die Frage, wie die Geschichtswissenschaft und wie die Öffentlichkeit das Leben und Handeln von Kurt Gerstein bewertet. Gibt es zwischen diesen beiden Diskrepanzen in der Bewertung des Kurt Gerstein und welche Bewertung erscheint am plausibelsten? Welche Kriterien werden bei den einzelnen Autoren angelegt? Ein Trend der Holocaustforschung ist, die gesellschaftlichen Akteure des Holocaust genauer zu betrachten und dabei auf ihre vielfältigen Rollen hinzuweisen, die sich gegebenenfalls auch dynamisch verändern konnten1. So findet man zum Beispiel immer mehr Belege dafür, dass Menschen in bestimmten Situationen einfach nur Bystander waren, in anderen Situationen aber zu Tätern geworden sind. Vor diesem Hintergrund ist der Verfasser des Gerstein-Berichts ein interessantes Objekt für Holocaustforscher, aber auch für die Öffentlichkeit. Schon relativ früh, im Jahr 1967, erschien Saul Friedländers Monografie zu Kurt Gerstein. Kurz darauf folgten der Spiegel, der in mehreren Teilen über den SS-Mann berichtete (1968/69) und Pierre Joffroy mit seinem Werk 'Der Spion Gottes', dessen erste Auflage 1972 erschien. Dabei geht die Bewertung zum Leben und Handeln dieses Menschen teils weit auseinander. Vereinfacht zusammengefasst gilt Gerstein den einen als Widerständler, der versuchte Informationen über die Vernichtungslager weiterzugeben. Für andere ist er ein Täter, der mit seinem Fachwissen half, die Massenmordmethoden effektiver zu gestalten. Abgesehen von diesen Meinungen gilt der Gerstein-Bericht als gesicherte Quelle für den Holocaust und wurde sogar in Prozessen gegen NS-Verbrecher als Beweis verwendet.