eorgia Krawiec radiKAHLschlag ist ein ungewöhnliche fotografische Annäherung an ein speziell deutsch-polnisches Sujet: Die Eiche. Dabei geht es ihr nicht nur um tradierte Bedeutungszusammenhänge sondern auch unseren Umgang mit der Natur. In elf Zyklen, die seit 2018 entstanden sind, setzt sich die Künstlerin georgia Krawiec mit "dem zunehmend entfremdeten Verhältnis zwischen Kultur und Natur" der beiden Nationen auseinander, wie Ralf. Hartmann in seinem Vorwort schreibt. Einige der hier aufgeführten Arbeiten wurden bereits im Zentrum für Aktuelle Kunst ZAK, Leipzig (GRASSI-Museum), Poznan (Nationalmuseum, PL) gezeigt und sind in Berlin noch bis zum 8. September 2024 zu sehen (Kommunale Galerie Berlin). Dabei ist radiKAHLschlag keinesfalls so sachlich-analytisch und nüchtern, wie man es vielleicht vermuten könnte. Mit viel Liebe zum Detail, in angenehmer Haptik gebunden, abwechslungsreich gestaltet kommt hier ein zweisprachiges deutsch-polnisches Fotobuch zum Vorschein, in dem der Leser beim Blättern etwa mit einem Fotogramm zum Selbstherstellen überrascht wird. "Obgleich ich meist überaus behutsam mit dem Material umgehe verschmilzt bei diesem speziellen Prozess das Fotopapier physisch mit der Natur und trägt einige Spuren davon." georgia Krawiec verbindet Kunst und Natur. Ihre experimentellen (Foto-)Arbeiten reichen von Objekten und Guckkästen bis hin zu Langzeitbelichtungen, die hier zum ersten Mal umfassend vorgestellt werden. Der Schwerpunkt liegt auf der Auseinandersetzung mit dem Thema "Eiche", der sowohl in Deutschland als auch Polen eine große kulturhistorische Bedeutung zukommt. Krawiec' Langzeit-Fotogramme erzeugen das Abbild durch einen 1:1 Abdruck auf dem Fotopapier, was den Bildern eine eigentümlich vibrierende Spannung verleiht. Die Arbeiten entwickeln sich später im Rahmen weiter. So entstehen Abbilder unter dem Einfluss fließender Zeit, fast als wären sie der Gegenstand selbst. Dass georgia Krawiec in Ihrem Werk die Grenzen der der künstlerischen Fotografie zu erweitern versucht, wird spätestens deutlich, wenn neben den aufwändigen Langzeitfotogrammen, Chemogrammen, Videoarbeiten, Stereofotografien, Fotocollagen auch Klanginstallationen zeigt, bei denen die Künstlerin auf Baumscheiben gefällter Bäume mit Hilfe von Plattenspielern deren letzten Willen hörbar macht. Auch eine Camera obscura ist zu sehen, die aus dem Stamm einer 500-jährigen Linde besteht, die unmittelbar vor ihrem Atelier auf der Zitadelle Spandau gefällt wurde. Dieses Ereignis nahm Krawiec ebenfalls zum Anlass, auf die unaufhaltsame Vernichtung der Natur durch den Menschen zu verweisen. Da radiKAHLschlag kein reiner Künstlerinnenkatalog, sondern zugleich ein Lese- und Verstehbuch ist, sind die Arbeiten Krawiec' in drei Texte eingebettet, die Werk und Autorin den Lesern näher bringen: Dr. Ralf F. Hartmann beleuchtet in seinem persönlichen Vorwort nicht nur den biografischen Hintergrund und die Motivation der Künstlerin, sich gerade auf diese Weise mit der Welt auseinanderzusetzen, sondern auch den im Bezug auf die Natur bemerkenswerten deutsch-polnischen Kontext. Prof. Dr. Marta Smolinska hebt in ihrem kunsttheoretischen Essay die Vergänglichkeit hervor, die sie beispielsweise bei Krawiec' Chlorophylfotogrammen vorfindet und bezieht sich dabei u.a. auf Theorien Hans Beltings zu Bild-Anthropologie. Ein spannendes Interview mit der Künstlerin, unterhaltsam geführt von Jens Pepper, in dem auch Alchemistisches und Prozessdetails angesprochen werden, rundet das Buch ab. Zusätzlich zur regulären Auflage werden 33 Exemplare als Sonderedition (direkt bei der Künstlerin erhältlich) herausgegeben, in denen man außer einer Originalarbeit und Naturartefakten für das Fotogramm auch das gute Gefühl Nachhaltigkeit in Form eines Zertifikats über die Pflanzung eines Baums bekommt.