Boten des Grauens. Das Motiv der »versehrten Puppe« bei Heinrich von Kleist, Lotte Pritzel und Rainer Maria Rilke

Ausgehend von Kleists Essay »Über das Marionettentheater« (1810) interpretiert der Beitrag Rilkes Aufsatz »Puppen. Die Wachspuppen der Lotte Pritzel« (1914) und konfrontiert ihn mit den Werken der Puppenkünstlerin. Er geht der These nach, daß das Motiv der »versehrten Puppe« Ängste vor einem Mißlingen der Trennung vom Körper der Mutter thematisiert. Es handelt sich nach Auffassung der Autorin um ein plötzliches Mißlingen, das sich im Grauen affektiv andeutet. Die versehrte Puppe verkörpert, so die These, den Schrecken, der entsteht, wenn psychotische Ängste, Desymbolisierung und Beziehungstod am eigenen Leib projektiv erfahren werden. Kleist umkreist in seinem Essay das Mißlingen jenes Moments, an dem der Körper des Kindes sich von dem der Mutter trennt und gerade in sich selbst gehalten ist. Rilke kreist in seinen Phantasien über die Puppen der Lotte Pritzel zugleich auch um das Problem, daß das Kind seinen Körper als tot erlebt, wenn es Puppen stellvertretend für äußere Objekte tötet und ausweidet, statt sie projektiv zu beleben.

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