'Das Steinerne Herz' von ArnoSchmidt - Kriminalgeschichte oder Schelmenroman

Wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Didaktik - Deutsch - Literatur, Werke, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover (Zentrale Einrichtung für Lehre, Studium und Weiterbildung), Sprache: Deutsch, Abstract: Bei Kritikern und Rezensenten von Arno Schmidts "Das steinerne Herz" stößt man gelegentlich auf die Auffassung, der Roman trage Züge einer Kriminalgeschichte oder er sei als Parodie auf die gewinnorientierte deutsche Wohlstandsgesellschaft der Fünfziger Jahre angelegt. Vieles im Roman weist darüberhinaus in die Richtung des traditionellen Schelmenromans, freilich nicht nach dem Muster des ursprünglichen spanischen Vorbilds, der "novela picaresca" des anonym erschienenen "Lazarillo de Tormes" aus dem 16. Jahrhundert, der als Archetypus dieser Romangattung gilt, oder des an der Wende zum 17. Jahrhundert veröffentlichten "Guzmán de Alfarache" von Mateo Alemán. Aus diesen Vorläufern des pikaresken Romans entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte eine europäische Tradition dieser Gattung, die bis in die Gegenwart hineinreicht und im 20. Jahrhundert beispielsweise von Thomas Mann mit seinen "Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull" fortgeführt und weiterentwickelt wurde. Bei genauerer Überprüfung erkennt man, dass dieser Roman eine ganze Reihe von Parallelen mit dem "Steinernen Herzen" von Arno Schmidt aufweist, wobei Letzterer sich nicht ausdrücklich dazu geäußert hat, ob er sich davon hat beeinflussen lassen. In vielen einschlägigen Rezensionen werden nicht nur die Eigenarten und Verhaltensweisen des Ich-Erzählers Walter Eggers, sondern auch der gesellschaftliche Kontext, in dem die Protagonisten sich bewegen, kritisch beleuchtet. Sie leben nicht in einem luftleeren Raum, sondern sie agieren und reagieren im Wechselspiel mit der sie umgebenden gesellschaftlichen Realität. Sie passen sich geschickt gesellschaftlichen Normen und Spielregeln an - nicht, weil sie von deren Gültigkeit überzeugt sind, sondern weil sie für sich einen Vorteil darin erblicken. In ihren häufigen Kommentierungen des aktuellen Zeitgeschehens gehen sie fast immer auf Distanz zu den Institutionen und ihren Repräsentanten. Sie unterziehen sie schonungslos einer massiven Kritik als durch und durch verlogen und korrupt. Auf dem Hintergrund dieser Realität begreifen und beurteilen sie ihr eigenes Verhalten allerdings - man könnte hinzufügen: völlig unkritisch - als ganz und gar legitim.

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