Der Fußball, er schafft uns! - Nationale Identitätsbildung auf dem mythischen Nährboden kollektiver Sportbegeisterung

Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Philosophie - Praktische (Ethik, Ästhetik, Kultur, Natur, Recht, ...), Note: 1,7, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Philosophisches Institut), Veranstaltung: Politische Mythen, Sprache: Deutsch, Abstract: Dass Fußball den Rahmen eines bloß sportlichen Ereignisses verlassen, dass er 'ein Baustein für Identität, für unser kollektives Gedächtnis, für nationale Größe oder Schmach' sein kann, bewies die Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz, die mit dem finalen 'Wunder von Bern' nicht nur bleibende Erinnerungen hinterlassen hat, sondern zuweilen auch 'zum wahren Gründungsdatum der Bundesrepublik, wichtiger als die Währungsreform, die Verabschiedung des Grundgesetzes oder das Einreißen der Berliner Mauer' stilisiert wurde. Aus der Selbstwahrnehmung der Deutschen als Fußballnation, gegründet auf einem Mythos, der über die rein sportliche Sphäre hinaus zum Bindeglied der Gesellschaft angewachsen ist, entsteht die Selbstverständlichkeit, die Symbole der Nation in die Fußballbegeisterung mit aufzunehmen. Die Selbstidentifikation mit der symbolischen Bedeutung der Nationalmannschaft , das Gewahrwerden der Existenz einer nationalen Gemeinschaft, die in der Sportbegeisterung zusammen findet, macht den besonderen Reiz einer Fußballweltmeisterschaft aus und unterscheidet sie so von anderen möglichen Vermittlern nationaler Identität. 'Fußball schafft jeden Tag neue Wunder der Identifikation. Das neue Deutschland der Ideen gewinnt an Substanz über seine Fußballmannschaft, die mehr symbolische Kraft hat als die Politik, die Kultur oder die Kunst.' Solange dies jedoch Gültigkeit behält, müssen Erwartungen bezüglich einer deutschen nationalen Identität, die auch abseits sportlich motivierter Spontangründungen Bestand hat, enttäuscht werden. Deshalb war auch das 'deutsche Sommermärchen' von 2006 nicht die Geburtsstunde eines 'neuen deutschen Patriotismus', sondern nur das inzwischen ritualisierte Auf- und Ausleben nationaler Gefühle im Rahmen kollektiver Sportbegeisterung. Das dies heute in einem solchen Ausmaß möglich ist, ist eine Folge des durch den 'Mythos von Bern' entstandenen gesamtgesellschaftlichen und übersportlichen Stellenwerts des Fußballs.