Die Enite-Konzeption im 'Erec'. Hartmann von Aue und Chrétien im Vergleich

Studienarbeit aus dem Jahr 2017 im Fachbereich Literaturwissenschaft - Mittelalterliche Literatur, Note: 1,0, Ludwig-Maximilians-Universität München (Institut für Deutsche Philologie), Veranstaltung: 'Erec' - Hartmann und Chrétien im Vergleich, Sprache: Deutsch, Abstract: In dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden, die Entwicklung der Enite-Figur nah an dem Artusroman 'Erec' Hartmanns von Aue nachzuzeichnen und dabei den Chrétienschen als Folie im Blick zu behalten. Ziel der Analyse wird sein, die wesentlichen Änderungen Hartmanns in Bezug auf die Enite-Figur zu erkennen und zu reflektieren, welche Effekte sie zeitigen, insbesondere bezüglich der Paarkonstellation. Aus diesem Grund wird die Entwicklung der Figur vom gesellschaftlichen Aufstieg über die Krise bis hin zur endgültigen Rehabilitation nachgezeichnet. Den Abschluss bildet ein Blick auf die Entwicklung der 'Stimme' Enites und ihre Funktion(en).Da der Fokus der vorliegenden Arbeit auf der Konzeption von Protagonistenidentitäten liegt, ist zu klären, auf welche Identitätskonzepte sinnvoll in historischen Texten rekurriert werden kann. Der 'Erec' Hartmanns von Aue gilt als der erste deutsche Artusroman und ist bis heute intensiv untersuchter Gegenstand der literaturwissenschaftlichen Forschung. Anlass zu den vorliegenden Überlegungen gab der Aufsatz Volker Mertens' 'Enide - Enite. Projektionen weiblicher Identität bei Chrétien und Hartmann'. Mertens interessiert, ob die weibliche Hauptfigur nur Mittlerin auf dem Weg der Identitätsfindung Erecs ist und dabei selbst statisch bleibt oder ob auch sie einen identitätsstiftenden Weg geht. Ferner reflektiert er, welche unterschiedliche Rolle die Heldin in den beiden Romanen spielt, wie sich dieser Prozess bei Hartmann und bei Chrétien gestaltet und wo die Gründe für mögliche Unterschiede liegen könnten. Am Ende seiner Untersuchung gibt Mertens der Chrétienschen Enide deutlich den Vorzug, da er in ihr eine Entwicklung zu erkennen glaubt, die er der Hartmannschen Enite abspricht: So entwickele sich die Französin von einer stark erotisch fundierten Identität im ersten Handlungszyklus zu ihrer sozialen Identität als repräsentative Ehefrau an der Seite eines verantwortlichen Herrschers, auch wenn die Identitätsstiftung im konventionellen Rahmen Familie und Repräsentation verliefe. Enite dagegen bliebe an die vorgegebene Identität statisch als von Anfang an reine, vollkommene Heldin gebunden und fungiere vornehmlich als 'gesellschaftliche geforderte Beigabe' - wenngleich sie in der Gesamtkonzeption des Romans von einem eher 'utopischen Gesellschaftsentwurf' getragen würde.