Die Nacht des Doktor Herzfeld

Das neue Berlin um den Kurfürstendamm an einem warmen Sommerabend. Doktor Herzfeld ist Abend für Abend Gast in einem Berliner Café. Die Personen, die sich hier treffen, pflegen das gebildete Gespräch, das sie von den menschlichen und gesellschaftlichen Unzulänglichkeiten und der individuellen Vereinsamung ablenkt. Aber der einsamste und dabei gebildetste unter ihnen ist Doktor Herzfeld. Als er endlich einen Ausbruch wagt, führt dieser ihn durch ein nächtliches Berlin voller Wonnen und Schrecken und in einen gedanklichen Exzess von Mord und Selbstmord. Georg Hermanns Zeitgenosse, der Autor Artur Brausewetter, schrieb über dieses Buch: 'Eine Fülle der feinsten und wahrsten Anmerkungen, eine melancholische, bei aller Realistik von duftender Poesie erfüllte Welt- und Lebensanschauung, ein philosophisches über-den-Dingen-stehen und zugleich in ihnen Aufgehen - ein Buch mit einem Worte, das einem viel gibt, das bannt und begleitet, das man nicht los wird, nachdem man längst die letzte Seite gelesen ... Wer etwas lesen will, das tief ist und anregend, das zum Denken über uns selber anregt, indem es uns das Innenleben eines Einzelschicksals vor die Augen führt, das voller Poesie und Natürlichkeit und Wahrheit ist, dem sei dies Buch empfohlen.' Mit 'Die Nacht des Doktor Herzfeld' hat Georg Hermann ein eigenartiges, tiefes und rücksichtsloses Buch und zugleich ein literarisches Kunstwerk geschrieben, das die moderne Geschichte des jüdischen Bürgertums nachzeichnet und durch das bei alledem auch 'der Geist des alten Fontane sehr deutlich spukt'.-

Georg Hermann, eigentlich Georg Hermann Borchardt (1871-1943), war ein deutscher Schriftsteller. Georg Hermann wurde 1871 als jüngstes von sechs Kindern einer alteingesessenen jüdisch-berlinerischen und später verarmten Kaufmannsfamilie geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums durchlief er eine Kaufmannslehre und arbeitete als Gehilfe in einem Krawattengeschäft. Von 1896 bis 1899 besuchte er literarische, kunstgeschichtliche und philosophische Vorlesungen an der Universität Berlin. Später war er beim Statistischen Amt Berlin beschäftigt, schrieb daneben Texte für Zeitungen und Zeitschriften und machte sich durch Feuilletons, Kunstkritiken und als Verfasser kunsthistorischer Werke nach und nach einen Namen. Obwohl er sich bereits als Schüler schriftstellerisch versucht und später unter anderem drei Bände Prosaskizzen veröffentlicht hatte, setzte er sich als Schriftsteller allerdings erst relativ spät durch: Erst der Roman 'Jettchen Gebert' (1906) machte ihn mit einem Schlag berühmt. 'Jettchen Gebert' und sein Fortsetzungsband 'Henriette Jacoby', die ein Bild des liberalen Geistes im Berlin der 1840er Jahre in einer jüdischen Familie zeichnen, waren Bestseller mit zusammen mehr als 260 Auflagen. Hermann lebte fortan als vielgelesener Romancier in Berlin, zeitweise in Neckargemünd bei Heidelberg. Sein literarisches Vorbild war Theodor Fontane, was ihm auch die Bezeichnung 'jüdischer Fontane' eintrug. Neben oft stark autobiografisch getönten jüdisch-bürgerlichen Themen griff er auch Stoffe aus den unteren sozialen Schichten ('Kubinke', 1910, der Zuhälterroman 'Rosenemil', 1935) und aus der preußischen Geschichte auf. Seine Romane sind Unterhaltungsliteratur von Rang, wie sie in Deutschland selten ist.Durch die nationalsozialistischen Machthaber ständig bedroht, entschloss sich Hermann nach dem Reichstagsbrand im Jahre 1933, Deutschland zu verlassen und ging nach Holland ins Exil. Seine Werke standen auf der 'Schwarzen Liste' und wurden bei den Bücherverbrennungen im Mai 1933 den Flammen übergeben. Im Exil schrieb Hermann unter schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen weitere Romane. Nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht wurde Hermann mit seiner Tochter aus zweiter Ehe Ursula und deren Sohn Michael in das Durchgangslager Westerbork und am 16. November 1943 ohne Tochter und Enkel in das KZ Auschwitz deportiert. Der Transport mit 995 'Juden aus dem Lager Westerbork' erreichte Auschwitz am 17. November 1943. Als Georg Hermanns Todesdatum gilt der 19. November 1943.

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