Dirnen und Hausfrauen - Zur Doppelmoral in Arthur Schnitzlers "Traumnovelle"

Studienarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,7, Christian-Albrechts-Universität Kiel (Neuere Deutsche Literatur), Veranstaltung: Literatur und Literaturkritik um 1900, Sprache: Deutsch, Abstract: Albertines Offenbarungen ihres potentiellen Fremdgehens in ihrem Tagtraum und des realisierten Betrugs im Traum stellen die Auslöser für Fridolins erotische Selbstfindungsreise dar. Der Traum ist Ausdruck eines defizitären Zustands und kennzeichnet das Verlangen, der als entsexualisiert dargestellten Ehefrau und Mutter, nach erotischer Selbstverwirklichung. Gekränkt durch dieses Geständnis erlebt Fridolin eine bizarre Reise durch die Nacht, immer auf der Suche nach emphatischem Leben. Fridolin strebt die, von Albertine im Traum vollzogene, Selbstverwirklichung also in der Realität an. Seine Initiation von der bewussten, realisierten Person hin zur potentiellen Person und führt ihn nach drohendem Selbstverlust wieder zurück in die Geborgenheit der Familie. Der gesellschaftliche Umgang mit menschlichen Trieben steht im Mittelpunkt von Arthur Schnitzlers Traumnovelle (1926). Als Schlüsselmoment erscheint das offene Geständnis des, der Protagonistin innewohnenden, normverletzenden Erotikpotentials, welches einen Rachefeldzug des Protagonisten nach sich zieht, in deren Folge eine selbstverständlich scheinende soziale Bigotterie aufgedeckt wird. Beeinflusst von Sigmund Freud und gemäßigteren Psychologen hinterfragt Schnitzler im liberalen Klima der Wiener Moderne das klassische Rollenverständnis innerhalb der Institution der Ehe. Die unhinterfragte Gültigkeit der gesellschaftlichen Doppelmoral manifestiert sich in der Novelle in vielfältigen semantischen Oppositionen, welche es in der vorliegenden Hausarbeit aufzuzeigen gilt. Als Arbeitsgrundlage diente vor allem Michaela Perlmanns ¿Der Traum in der literarischen Moderne¿. Für die Darstellung des neuen, modernisierten Menschenbildes, welches sich nicht länger nur durch die realisierte, sondern auch durch die potentielle Person konstituiert, waren zwei Aufsätze Michael Titzmanns von Bedeutung.