Psychische Erkrankungen gehören epidemiologisch weltweit zu den verbreitetsten Krankheitsrisiken. Psychopharmaka prägen unsere Gesellschaft stärker, als uns dies bewusst ist. Gleichwohl ist der rechtliche Rahmen der psychopharmakologischen Forschung und Therapie fragmentiert sowie teils von vorrationalen Pfadabhängigkeiten geprägt. Die vorliegende Untersuchung geht von der Geschichte der wissenschaftlichen Psychopharmakologie sowie den neurochemischen Wirkungsmechanismen typischer Psychopharmaka aus. Klaus Ferdinand Gärditz analysiert die wildwüchsigen Regelungsstrukturen und die damit verbundenen Wechselwirkungen zwischen Pharmakologie, Gesellschaft und Recht als institutionelle Herrschaftspraxis. Naturwissenschaftliches Wissen prägt einerseits das Recht, reziprok prägen aber auch die Symboliken und Steuerungsinstrumente des Rechts die Entstehung von sowie den Umgang mit naturwissenschaftlichem Wissen. Pharmakologische Wissensgenerierung hat eine markante Eigengeschichtlichkeit, die erst aufzeigt, wie überhaupt Regelungsbedürfnisse entstanden sind und wie eine Gesellschaft, die Recht instrumentell zur sozialen Zielerreichung einsetzt, Psychopharmaka und ihre Erforschung in der Zeit wahrgenommen hat. Eine kontextsensible Reflexion des Rechts der psychotropen Stoffe (vom Betäubungsmittelrecht über das Arzneimittelrecht bis zum verfassungsrechtlichen Rahmen) scheint gerade auch deshalb angezeigt, weil Legalisierungs- und Liberalisierungsdebatten wieder an Fahrt aufnehmen, aber weitgehend konzeptlos bleiben.

Geboren 1975; ist Professor für Öffentliches Recht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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