Eine Tatort-Folge über den Inzest-Fall in einer alevitischen Familie. Über Inzestvorwurf, Vorurteile und künstlerische Freiheit

Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Philosophie - Praktische (Ethik, Ästhetik, Kultur, Natur, Recht, ...), , Sprache: Deutsch, Abstract: Am 23.12.2007 wurde von der ARD der Tatortfilm 'Wem Ehre gebührt' ausgestrahlt. Dabei ging es um einen Inzest-Fall in einer alevitischen Familie, der einen Mord nach sich zog. Die Mitglieder der alevitischen Gemeinschaft und die Alevitische Gemeinde Deutschlands (AABF) waren hierüber zutiefst entsetzt. Über tausend Menschen versammelten sich vor dem ARD-Hauptstadtbüro. Die deutsche Öffentlichkeit war und ist nicht imstande, diese Empörung und diesen Protest nachzuvollziehen. Wie denn auch? Sie beruft sich zwar auf die Kunst- und Redefreiheit, kennt aber weder die Aleviten und das Alevitentum noch die historischen (gesellschaftlichen) Hintergründe für die Empörung über den im Film gezeigten Inzest-Fall in einer alevitischen Familie. Freiheit und ihre Spielarten, also auch die Kunst- und Redefreiheit gehören zu den wesentlichen Elementen des Alevitentums. Der Protest der Aleviten richtete sich nicht gegen diese starken Prinzipen und Grundlagen offener Gesellschaften, sondern einzig und allein gegen die unreflektierte Darstellung des Inzest-Falles im Zusammenhang mit einer alevitischen Familie. Der vorliegende Beitrag will aufklären. Er will die historischen Hintergründe dieses Protestes aufzeigen. Er versucht zu ergründen, wie und weshalb Menschen zu gewissen entwürdigenden Vorurteilen gelangen können. Wer aber - bewusst oder unbewusst, absichtlich oder unabsichtlich - gewisse entwürdigende Vorurteile (gegen wen und in welcher Form auch immer) weitertransportiert und sich dabei auf Kunst- und Redefreiheit beruft, der verklärt und handelt unverantwortungslos. Grundlage und Maß menschlicher Freiheit in Form der Kunst- und Redefreiheit ist die Würde des Menschen. Wer für diese Freiheitsformen eintritt, der sollte dabei ebenso die Würde des Menschen beachten. Kein Mensch, keine Kultur, keine Gemeinschaft und dergleichen darf aufgrund seiner Andersartigkeit ausgegrenzt und gedemüdigt werden.

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