Emotion, Gesellschaft und Kultur

Anno 1989 wurde die vorliegende Arbeit als Habilitationsschrift von der Sozialwissen­ schaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München angenommen. Seitdem hat sich die Emotionsforschung weiter produktiv entwickelt. In den letzten zwei Jahren sind zahlreiche neue Publikationn zu den in der Arbeit behandelten Themen erschienen -nicht nur in der Soziologie, sondern in allen wissenschaftlichen Disziplinen, die zur Erforschung der Emotionen beitragen. Bei der Überarbeitung des Manuskripts für die Drucklegung habe ich soweit wie möglich die jüngsten Ver­ öffentlichungen zur Thematik berücksichtigt. Pöcking, im März 1991 9 1 Emotionen -ein Thema für die Soziologie 1.1 Die Vernachlässigung der Emotionen in der Soziologie Die Geschichte des Zivilisationsprozesses ist von philosophischen und soziologischen Klassikern im "Diskurs der Modeme" immer wieder als ein letztendlicher Siegeszug der Rationalität nacherzählt worden. Ungeachtet einiger dissonanter Gegenstimmen stellt "Rationalität" das große Leitmotiv dar. Im Vergleich zu diesem immer wieder den Sieg davontragenden Leitmotiv haben die Emotionen des Menschen nur den Status emes Nebenthemas. Doch nicht nur in Symphonien, die mit der Affirmation des Hauptgedankens enden mögen, sind die Seiten-und Nebenthemen oft das reiz­ vollere Material. Im abendländischen Diskurs über die Rationalität haben die als Nebenstimmen geführten Themen des Emotionalen sich immer wieder Gehör verschafft und Anstrengungen des theoretischen Denkens herausgefordert. Emotionalität und Emotionen als Nebenstimmen oder garnur hintergründiges Rau­ schen im Diskurs über die Rationalität sind oft mythifiziert, dämonisiert oder tabuisiert worden. Die romantisierende Behandlung des Emotionalen, charakteristischfür einen weiten Bereich kultureller Produktion und Selbstreflexion im 19.

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