Kompendium der Soziologie II: Die Klassiker

Statt der Feind des Klassischen zu sein ist Kritik, ja, Kritik der schärfsten Art, vielleicht das, was das Klassische braucht, um sich selbst zu definieren und sein Überleben zu sichern. Jean Marie Coetzee (2006: 30) Niklas Luhmann (1927-1998), der von manchen seiner Anhänger schon selbst in den Adelsstand eines Klassikers erhoben wird, hatte für die Klassiker der Sozio- gie wenig übrig, wenn er die Beschäftigung mit ihnen als ¿exegetisches Benagen alter theoretischer Knochen¿ bezeichnete (Luhmann 1988: 292). Gleichwohl scheinen die Soziologen an ihren alten Knochen höchst interessiert zu sein. K- chen sind schließlich etwas Grundsolides, an das man sich halten kann. Und so wie ein gesunder Körper auch eines stabilen Knochengerüstes bedarf, so brauchen auch die kühnsten Theoriegebäude, die sich Soziologen zurechtzimmern, ein Knoch- gerüst, an das die frei flottierenden Gedanken festgemacht werden können. Klas- ker sind keine abgenagten Skelette. An einem wahren Klassiker hängt immer noch so viel Fleisch, dass sich ganze Generationen exegetischer Nagetiere von ihnen ernähren können. Ein Klassiker bietet auch reichlich Widerstand, so dass man sich an ihm die Zähne ausbeißen kann. In Zeiten der rasch sich vollziehenden Wechs- bäder im Denken, da die Halbwertzeit der neuen Gedanken immer kürzer zu w- den scheint, bieten die Klassiker Zufluchtsorte. Da es mitunter so aussehen mag, als hätte die Soziologie ihre Zukunft schon hinter sich, mag die Geschichte der Soziologie Zuflucht vor dem Weiterdenken versprechen.

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