Optionale Deutung – Aktuale Deutung. Bemerkungen zum ungeschriebenen Konzept der Deutungsoptionen von Wolfgang Loch

Der optionale Charakter jeder Deutung ist theoretisch geboten, auch als Konsequenz aus der grundlegenden konstruktivistischen Verfaßtheit der Psychoanalyse, die, wie von Wolfgang Loch überzeugend entfaltet, bereits bei Freud durchgängig angelegt ist. Das Ergänzungsstück einer aktualen Deutung ergab sich für mich aus der Kontroverse zwischen dem Gesichtspunkt, daß erstens der Analytiker, bevor er eine Deutung gibt, wenigsten vier bis fünf weitere zur Verfügung haben sollte und zweitens, wenn eine Mehrzahl von Deutungen in einer Situation vorhanden scheinen, möglicherweise keine wirklich zur aktuellen Situation paßt. Obwohl optionale Deutungen auf dem Weg zum Auffinden einer aktualen Deutung häufig eine Rolle spielen, wird der Versuch unternommen, die aktuale Deutung als eine aus Abwehrgründen nicht leicht zu findende, für die weitere Entwicklung der analytischen Beziehung jedoch notwendige Deutung zu begreifen. Sie ist in der Regel der Beobachtung der Gegenübertragung, der Einsicht in die Verstrickung des Analytikers in unbewußte Beziehungsmusterwiederholungabgerungen. Dadurch umschließt sie auch aktualneurotische, psychosomatische bzw. soma-psychotische Anteile des seelischen Geschehens und dient so der Transformation der zugrunde liegenden protomentalen Prozesse. Im zweiten, klinischen Teil des Aufsatzes soll eine ausführliche Beschreibung eines Analyseverlaufes und einiger Stundensequenzen die Entstehung einer aktualen Deutung veranschaulichen.