Überlegungen zur »psychischen Oberfläche« des psychoanalytischen Prozesses

Diese Arbeit benutzt Freuds Begriff der »psychischen Oberfläche« als heuristisches Konzept zur Untersuchung der Art und Weise, wie Psychoanalytiker die Gestaltwerdung der aktuellen analytischen Situation begreifen und so ihre tägliche Arbeitsfläche entwerfen. Implizite Begriffe von »psychischer Oberfläche« sind mehr oder weniger bewußt stets als konzeptuelle Organisatoren bei der Präparation klinischer »Fakten« wirksam. Ausgehend von Freuds intrapsychischem Begriff der »Oberfläche« und des pathogenen Materiales als »Infiltrat« im Patienten werden anhand der Literatur die Metamorphosen der latenten Oberflächenbegriffe bis hin zur »unbewußten Interaktion« dargestellt, mit Wandern der »Oberfläche« zwischen die analytischen Partner oder in den Analytiker selbst. Die Wandlungen der immanenten Oberflächenkonzepte betreffen neben dem Transformationsproblem zwischen Vergangen und Gegenwärtig die Definition relevanten Materiales, seine Affektnähe sowie den imaginären Ort der Oberfläche selbst. Unter objektbeziehungstheoretischem Einfluß, der Entwicklung vom »Receiver« zum »Container« und mit der dialogischen Sicht der Angst ergeben sich Gemeinsamkeiten zeitgenössischer Oberflächenerwartungen: besondere Aufmerksamkeit für die zentrale Achse von Externalisierung und Internalisierung, für »enactment« psychischer Prozesse statt repräsentierter Gestalten, d. h. Objektbeziehungsmodi vor Objektrepräsentanzen; für Funktionen statt Entitäten, formale Aspekte statt Semantik, Metonymien statt Metaphern, Kontextualität statt Kausalität. Gewinn und Verlust dieses konzeptuellen Wandels werden diskutiert. Es stellt sich die Frage, ob dieser ein folgerichtiges Resultat der analytischen Technikgeschichte selber ist oder schon eine Antwort auf zeittypische Destrukturierungen der inneren Welten mit Schwächung symbolischer Repräsentanzen - i. S. einer Bewegung von der Funktion der Deutung zur Deutung der Funktionen.

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