Leg hin die Waagschal'! Analyse der 'Judenbuche' Annette von Droste-Hülshoffs

Mit ihrer Erzählung 'Die Judenbuche' will Annette von Droste-Hülshoff den Leser zur Mitmenschlichkeit erziehen. Das ist die Kernthese der vorliegenden Analyse. Der Vorspruch verbietet ihm, ein vorschnelles Urteil über ein 'arm verkümmert Sein' zu fällen. Dieses 'arm verkümmert Sein', der Protagonist, wird von den Figuren im Text mitleidlos verdammt. Dem entgegen soll der Leser mitfühlendes Verständnis entwickeln. Mitleid gebührt jedem. Daher wird die so oft in den Vordergrund gestellte Frage, ob Friedrich Mergel der Mörder des Juden Aaron sei, belanglos. Annette von Droste-Hülshoff macht in ihrer Erzählung den Leser zum Mit-Autor. Dazu dienen zahlreiche Gestaltungsmittel. Das sind vor allem die subtile Ironie, die komplizierten Bildgeflechte, die polare Struktur, die kontrastreichen Verzahnungen, die gegensätzlichen Bewertungen. Sie verlangen vom Leser einen ständigen Wechsel der Perspektive. Er muss kritische Distanz zum Geschehen üben und auch zu sich selbst. Mit diesem Ansatz, dass die Appellstruktur den Text wesentlich bestimmt, lassen sich zahlreiche der Deutungsprobleme lösen, die in manchen der bisherigen Analysen offen geblieben sind.

lKarl-Heinz Schwarze ist 1937 in der Kleinstadt Brakel im Kreis Höxter geboren. Zu dieser Stadt gehören die Schlösser Abbenburg und Bökerhof, auf denen Annette von Droste-Hülshoff so oft zu Besuch weilte. Dort ereigneten sich die historischen Vorfälle, die die Vorlage für "Die Judenbuche" lieferten. Eine Wanderung zur Judenbuche war für Schüler dieser Stadt früher ein Pflichtprogramm. Nach dem Studium der Germanistik und Geschichte unterrichtete Schwarze am Gymnasium. Er setzte Annette von Droste-Hülshoffs Meistererzählung "Die Judenbuche" oft auf den Unterrichtsplan der Mittelstufe. Die Vielfalt dieser Erzählung eröffnete immer wieder neue Methoden und Interpretationsansätze. Auch in Leistungskursen der Oberstufe ließ Schwarze die Erzählung unter literarhistorischen und kommunikationstheoretischen Fragestellungen bearbeiten. Seit seiner Pensionierung engagiert sich Karl-Heinz Schwarze in seiner Heimatstadt Werne für die Kulturarbeit. Er verfasst Bücher und Aufsätze zum Kulturkampf in der Bismarck-Zeit, hält Vorträge zur Geschichte der Stadt und leitet den Arbeitskreis Ortsbild- und Denkmalpflege im Heimatverein.

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