Universelle Wurzelmythen

In jeder Kultur oder Gruppe, in jedem Volk oder Individuum gibt es eine geschichtliche Ansammlung, auf deren Grundlage die Welt gedeutet wird. Die Ideale, Befürchtungen und Hoffnungen eines Volkes sind nicht als 'kalte Ideen' verankert, sondern als dynamische Bilder, welche die menschlichen Verhaltensweisen in die eine oder andere Richtung antreiben. Jede geschichtliche Epoche besitzt solche grundlegenden und zweifelsfreien Gewissheiten, deren kollektive mythische Struktur - ob sakralisiert oder nicht - dem Zusammenhalt der menschlichen Gruppen dient und ihnen Identität verleiht. Silo beschränkt sich in diesem Werk auf die großen Wurzelmythen, wobei er unter Wurzelmythos jenen Kern der mythischen Ideenbildung versteht, der sich unter Beibehaltung seines zentralen Handlungsablaufs von Volk zu Volk fortgepflanzt und so Universalität erreicht hat, auch wenn sich dabei die Namen, Figuren und sekundären Merkmale geändert haben. Sollten in der gegenwärtigen Situation der Menschheit neue Mythen auftauchen, so ist zu hoffen, dass diese gewaltigen Kräfte, welche die Geschichte freisetzt, dazu dienen mögen, eine weltweite und wahrhaft menschliche Zivilisation entstehen zu lassen, in der die Ungleichheit und Intoleranz für immer verbannt sind.

Silo ist das Pseudonym von Mario Luis Rodríguez Cobos. Er wurde am 6. Januar 1938 in Mendoza, Argentinien, geboren, wo er bis zu seinem Tode 2010 lebte. Seine Werke umfassen ein breites Spektrum, das von Philosophie über Psychologie, Soziologie, Mythologie bis hin zur Fiktion und Spiritualität reicht. Er ist u.a. Verfasser der Werke Der Innere Blick (1972), Die Innere Landschaft (1981) und Die Menschliche Landschaft (1988), die später in der Trilogie Die Erde menschlich machen (1989) veröffentlicht wurden. Später verfasste er Geleitete Erfahrungen (1988), Beiträge zum Denken (1988), Universelle Wurzelmythen (1990), Der Tag des geflügelten Löwen (1991), Briefe an meine Freunde (1993), Silo spricht (Vorträge 1969 - 1995), Wörterbuch des Neuen Humanismus (1996), Silos Botschaft (2002 und 2007) sowie Notizen zur Psychologie I - IV (1975 - 2006). Seine Schriften erschienen als Gesammelte Werke I und II erstmals 2002 in Mexiko. Er gilt als Gründer der international als Neuer Humanismus (oder auch Universalistischer Humanismus) bekannten Denkströmung sowie als Wegbereiter einer neuen Spiritualität, welche die auf Gewaltfreiheit basierende, gleichzeitige persönliche Entwicklung und gesellschaftliche Veränderung hin zu einer 'universellen menschlichen Nation' fördert.